Institut


Geschichte des Instituts – aus der Festschrift zum 200. Geburtstag von Max von Pettenkofer

Max von Pettenkofer (1818–1901) – Vorausdenker in Public Health und Gründer des weltweit ersten Kompetenzzentrums für Hygiene.

Mit seinem vielfältigen und abwechslungsreichen Lebenswerk zählt Max von Pettenkofer zu den aufregendsten Köpfen der Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Vom armen Bauernsohn und kurzzeitigen Studienabbrecher schaffte er es bis in die wissenschaftliche Elite und als Präsident der Akademie der Wissenschaften sogar zum ranghöchsten Vertreter der forschenden Disziplinen im Königreich Bayern. Auf vielen Gebieten leistete er Außerordentliches. Seine eigentliche Mission entdeckte Pettenkofer jedoch mit der wissenschaftlichen Hygiene, für die er schlüssig ein ganzes Denkgebäude errichtete. Als Vordenker in der Gesundheitspflege schuf er Trends in Public Health. Aus seinem Lehr- und Forschungsinstitut machte Pettenkofer das weltweit erste Kompetenzzentrum für Hygiene, das Schüler aus aller Welt anzog und zum internationalen Aushängeschild der Universität München wurde. Pettenkofers Denkfabrik für Hygiene wurde zum Mittelpunkt eines globalen Netzwerks.

Ausgangspunkte: Chemie und Cholera

Obwohl Max von Pettenkofer ab 1837 in München Pharmazie und Medizin studiert hatte, übte er den praktischen Arztberuf nie aus. Viel lieber forschte er schon in seinem jungen Leben als Chemiker nach den Vorgängen im menschlichen Organismus. Mit dieser Wahl bewies Pettenkofer den richtigen Instinkt für hochaktuelle Forschung und half gleichzeitig mit, die Chemie zum Schlüsselfach in der zeitgenössischen Medizin zu machen. Dem chemischen Wissenszweig traute man zu, endlich Licht in das Dunkel zu bringen, das seit Jahrhunderten das Innenleben des kranken Menschen ärztlichen Blicken und ärztlichem Verständnis entzog. Schon im Laboratorium von Justus von Liebig in Gießen, wo sich Pettenkofer ausbildete, legte er eine hohe Selbstständigkeit im chemischen Denken an den Tag und entdeckte zahlreiche Nachweisverfahren für im menschlichen Körper und seinen Säften vorkommende Stoffe. Mit seiner Ernennung zum Professor für medizinische Chemie an der Universität München war 1847 eine erste Stufe auf Pettenkofers Karriereleiter erreicht, 1853 erfolgte seine Beförderung zum ordentlichen Professor für organische Chemie in der medizinischen Fakultät. Zeitlebens verstand sich Pettenkofer primär als medizinischer Chemiker. Dies gilt auch für sein Wirken auf dem Gebiet der Hygiene.

Mit seinen Forschungen zur Entstehung und Ausbreitung der Cholera machte sich Pettenkofer neben seinem exzellenten Ruf als Chemiker international auch einen Namen als Epidemiologe. Die aus Indien stammende Epidemie brachte im 19. Jahrhundert Chaos und Tod nach Europa. Auch wenn Pettenkofer mit seiner Interpretation der Cholera, deren seuchenrelevanten Entwicklungsschritt er in das Erdreich legte, auf einen monströsen Irrweg geriet, so erwiesen sich die daraus abgeleiteten Empfehlungen zur Abwehr der Cholera als überaus segensreich. Die von Pettenkofer zur Reinigung des Bodens in den Städten empfohlene hydrologische Infrastruktur – eine leistungsfähige und mit ausreichendem Druck ausgestattete Wasserversorgung in  Kombination mit einer suffizienten Schwemmkanalisation – waren nicht nur technische Großprojekte, sondern bildeten auch eine neue Infrastruktur für die Gesundheit. Max von Pettenkofer hat wesentlich zum gesundheitlichen Glück der Menschen beigetragen. Bei seinen Choleraforschungen erkannte Max von Pettenkofer zum einen die elementare Bedeutung der Prävention und zum anderen die Tatsache, dass Krankheiten und Seuchen ganz offensichtlich viel mit Unrat und unhygienischen Umwelt- und Lebensbedingungen zu tun haben. Diese Einsicht führte ihn dazu, sich näher mit dem Thema Hygiene zu befassen. Und wie schon bei der Bekämpfung der Cholera, setzte er auch hier schon bald neue Maßstäbe.

Projekt Hygiene

Hygiene bezeichnet die Gesamtheit aller Maßnahmen zum Schutze und zur Förderung der gesundheitlichen Verhältnisse des einzelnen Menschen und der menschlichen Gesellschaft. Als Pettenkofer seine diesbezüglichen Anstrengungen begann, waren die hygienischen Zustände alarmierend. Vor allem in unterprivilegierten Wohngegenden herrschten schlimme Verhältnisse. Viele Personen hausten in einer Wohnung, und Sanitäreinrichtungen waren nur rudimentär vorhanden. Auch wenn man sich noch nicht vor Bakterien fürchtete – sie waren noch nicht entdeckt –, waren andere Schädlinge umso zahlreicher.

Dass Umweltfaktoren und persönliche Hygiene im Umgang mit gesundheitlichen Risiken eine Rolle spielen, war schon seit der Antike vorgedacht. An diese alte Wissenstradition einerseits und die zeitgenössischen sanitären Reformideen in Frankreich und England andererseits knüpfte Pettenkofer an und setzte sich an die Spitze dieser Bewegung. Als genuinen Wissenschaftler störte es ihn, dass – bei näherer Betrachtung – die ärztlichen Fachleute auf dem Gebiet der Gesundheitspflege im Prinzip kaum mehr wussten als jede mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Laienperson. Pettenkofer zog einen scharfen Trennstrich zu diesem eher intuitiven „Bauchwissen“ und erklärte es zu seinem Ziel, Hygiene mit der Sprache der modernen Wissenschaft zu erfassen. Er wollte mit Bestimmtheit sagen können, was „frische Luft“ und „sauberes Wasser“ in wissenschaftlicher Präzision und Terminologie genau sind, was eine „gute Nahrung“ und was „gute Kleidung“ ausmachen, und wann eine Wohnung wirklich „gesund“ ist.

Die Interaktionen zwischen dem menschlichen Organismus und seiner unmittelbaren Umgebung zu entschlüsseln, bildete für Pettenkofer die Grundvoraussetzung für eine wirksame Verhütung von Krankheiten und Seuchen. Pettenkofer erschloss gleichsam den Nahraum um den menschlichen Organismus und wies den Menschen einen neuen Blick auf ihre Welt. Hierzu gehörten Themen wie die Boden-, Luft- und Wasserqualität, der Einfluss des Bodens auf die Verbreitung von Krankheiten, die Lüftung und Beheizung von Räumlichkeiten, der hygienische Wert von Pflanzen im Wohnungsinnern, persönliche Hygiene, die Funktion der Bekleidung oder die Reinlichkeit im Haus und auf der Straße.

Pettenkofer hat die Hygiene nicht erfunden. Aber er sorgte mit der konsequenten Anwendung der experimentellen Methode für eine verlässliche Wissensproduktion auf dem Feld der Hygiene. Genau für dieses Verdienst wurde Pettenkofer 1897 vom „British Royal Institute for Public Health“ mit der goldenen Harben Medaille ausgezeichnet, der damals weltweit höchsten Auszeichnung auf dem Gebiet der Hygiene. Pettenkofer bemühte sich um eine sichere wissenschaftliche Basis für Maßnahmen, die in Ansätzen zuvor eher intuitiv oder auf empirischer Grundlage zur Anwendung kamen. So ist Max von Pettenkofers Name tatsächlichverbunden mit dem Durchbruch in moderner Hygiene und Prävention sowie Public Health. In diesem Sinne gilt Pettenkofer zu Recht als „Vater der modernen hygienischen Wissenschaft“, wie ihn das Reichsgesundheitsamt einmal ehrenvoll titulierte. Um auf seinem Weg voran zu kommen, verknüpfte Pettenkofer medizinische Expertise mit neuesten Kenntnissen aus Physik, Chemie, Technik, Statistik und Ökonomie. All die verschiedenen Parameter zusammen bildeten die Grundlage der Hygiene. Mit diesem, selbst aus heutiger Warte, als besonders fortschrittlich geltenden „crossover-thinking“ machte er die Hygiene zum ersten interdisziplinären Fach der Medizin.

Hygiene als Themen- und Forschungsfeld

Pettenkofer ging es darum, ohne Spekulationen und mit naturwissenschaftlicher Prägnanz die gesundheitlich relevanten Beziehungen zwischen dem menschlichen Organismus und seiner Umgebung zu erfassen. Er wollte alle Faktoren erfassen, die zu einem gesunden Leben beitrugen. Mit wechselnden Teams und Mitarbeitern machte sich Pettenkofer an die Erforschung dieser Aspekte und setzte weltweit Standards.

Im Vordergrund standen die drei klassischen Elemente Luft, Wasser und Erde. Die Reinhaltung der Luft war für Pettenkofer eine elementare Aufgabe der Gesundheitspflege und ein dringliches wohnhygienisches Anliegen. Aus seinen Untersuchungen zum Raumklima ging auch die heute noch benutzte Pettenkoferzahl hervor, die zur Beurteilung der Luftqualität in Innenräumen dient. Pettenkofer dokumentierte mit seinen Messungen, dass die Luft in den Wohnungen, Schulen, Wirtshäusern und anderen Lokalitäten von der atmosphärischen Luftgüte weit entfernt ist. Auf der Suche nach einem einfachen Maßstab für den Qualitätsvergleich von Raum- und Außenluft kam Pettenkofer auf die Kohlensäure, die in der Innen- und Außenluft vorhanden war und die mit der von ihm entwickelten Methode leicht messbar war. Der Kohlendioxidgehalt diente ihm dabei als ein Maß für die von Menschen abgegebenen flüchtigen organischen Stoffe, die für ein gutes oder schlechtes Raumklima eigentlich verantwortlich waren. Pettenkofer legte fest, dass oberhalb einer Kohlendioxid-Konzentration von einem Promille die Luft in einem Innenraum nicht mehr den hygienischen Anforderungen entspricht. Im Zusammenhang mit der Qualität der Raumluft kamen Ventilation und Heizung nun besondere Bedeutung zu.

Da neben der Luft das Wasser im menschlichen Leben eine zentrale Rolle spielt, eichtete Pettenkofer den Blick auch auf die Wasserqualität. Hygienisch einwandfreies Wasser blieb bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Mangelware. Auch wenn Pettenkofer die Rolle des Trinkwassers bei der Entstehung von Seuchenunterschätzte, räumte er doch der Trinkwasserqualität höchste Priorität ein und entwickelte eine beispielhafte Qualitätskontrolle für das kostbare Nass. Schmutziges Wasser konnte wie verunreinigte Luft, schlechte Nahrung, ungesunde Kleidung oder individuelle Lebensexzesse die physiologischen Vorgänge im menschlichen Körper stören und damit den Einzelnen für Krankheiten anfälliger machen. Mit dem von ihm entwickelten Untersuchungsprogramm trug Pettenkofer ganz wesentlich zur Bestimmung von Qualitätskriterien für hygienisch einwandfreies Trinkwasser bei, an denen sich dann die Städte beim Aufbau einer modernen zentralen Wasserversorgung orientierten. Schon ab der Mitte der 1880er Jahre gehörten auch mikrobiologische Untersuchungen dazu, um zu sehen, ob Wasser mit Mikroorganismen kontaminiert war.

Titelblatt des 1869 erschienenen Gutachtens zum Kanal- oder Siel-System der Stadt München
Titelblatt des 1869 erschienenen Gutachtens zum Kanal- oder Siel-System der Stadt München.

Zur Entfaltung einer gesunden Umwelt gehörte für Pettenkofer auch die sogenannte Assanierung des Bodens. Da im medizinischen Weltbild Pettenkofers der Boden bei der Verbreitung einer Seuche wie der schlimmen Cholera eine ganz besondere Rolle spielte, war neben der oben genannten Reinigung des Erdreichs die Beurteilung des Bodens und seines Zustandes ein zentraler Punkt. Er entwickelte ein ganzes Spektrum von Faktoren, das in städtebaulicher Hinsicht und für die Auswahl von Bauplätzen unter epidemiologischen Gesichtspunkten relevant wurde.

Zu einem gesunden Leben gehörten neben reiner Luft und gesunden Wohnräumen, neben sauberem Wasser und sauberem Untergrund auch die richtige Kleidung, persönliche Hygiene und gute Nahrung. So erforschte Pettenkofer die physiologische Bedeutung unserer Kleidung und deren Wechselspiel mit der Haut. Er untersuchte mikroskopisch die in der Kleiderherstellung verwendeten Stoffe und analysierte die physikalischen Eigenschaften von Textilien. Ganz obenan stand auch die Körperpflege. Körperliche Unreinlichkeit war für Pettenkofer das „gefährlichste Brutnest für alle Krankheiten.“ Die neue reichliche Wasserversorgung mit laufendem Wasser verbesserte die Bade- und Brausemöglichkeiten und erleichterte das regelmäßige Waschen mit Seife.

Hygiene als akademische Disziplin

Die Wissenschaft von der Hygiene verdankt Pettenkofer nicht nur ein schlüssiges Denkgebäude, sondern auch ihre akademische Verankerung im Lehrbetrieb. Pettenkofer sorgte dafür, dass gründliche Kenntnisse in Hygiene und öffentlicher Gesundheitsvorsorge allgemeines ärztliches Wissensgut wurden. Auf sein Betreiben nahm Bayern 1865 als erstes Land die Hygiene in den obligatorischen Studienplan auf und errichtete für das Fach Lehrstühle, die ganz nach dem Verständnis von Pettenkofer den Chemikern zugewiesen wurden. Pettenkofer selbst erhielt den neugegründeten Lehrstuhl in München. Wien und Leipzig folgten 1875 und 1878 als nächste Universitäten im deutschsprachigen Raum mit der Einrichtung von Lehrstühlen für Hygiene. Auch Amsterdam richtete bereits 1878 eine Professur für Hygiene ein. 1882 folgten alle Länder im Deutschen Reich dem von Bayern vorgezeichneten Weg und machten die Hygiene ebenfalls zu einem obligatorischen Unterrichtsfach.

Max von Pettenkofer auf einer Fotografie Hanfstaengls um 1870
Max von Pettenkofer auf einer Fotografie Hanfstaengls um 1870

Nachdem das Fach Hygiene in das ärztliche Studium aufgenommen und sogar mit einem Lehrstuhl bedacht worden war, fehlte noch eine passende Lehr- und Forschungseinrichtung. Anfänglich hatte Pettenkofer für ein chemisches Laboratorium Räumlichkeiten im  Universitätsgebäude erhalten. 1855 zog er mit seinem „Laboratorium für physiologische Chemie“ in das neu errichtete Physiologische Institut um, wo er bis 1879 verblieb. Als Inhaber eines hygienischen Lehrstuhls wandelte Pettenkofer seine Einrichtung jedoch bereits 1870 in ein „Chemisches Laboratorium für Hygiene“ um. Als Pettenkofer 1872 den überaus verlockenden, da mit dem Versprechen eines neuen Instituts verbundenen Ruf an die Universität Wien ablehnte, öffneten sich auch in Bayern die Finanzkanäle für einen Institutsneubau. Die feierliche Eröffnung des Hygiene-Instituts am 19. April 1879 bestätigte die bisherige Arbeit Max von Pettenkofers in eindrucksvoller Weise. Mit zwei Hörsälen und etlichen Laboratorien sowie Untersuchungseinrichtungen war das neue Institut für seine Aufgaben vorzüglich ausgestattet.

Denkfabrik und Kompetenzzentrum für Hygiene

Das von ihm zur systematischen Lehre und Forschung 1879 in Betrieb genommene Institut entwickelte Pettenkofer in der Folge zu einem weltweit einzigartigen Kompetenzzentrum für Hygiene und Umweltmedizin. Pettenkofers Denkfabrik für Hygiene wurde zur Bodenstation seiner weltumspannenden Hygienemission. Bald erbat die ganze Welt von Pettenkofer Rat und Auskunft in hygienischen Fragen, und Schüler pilgerten von weit her, um von Pettenkofer und voneinander „Hygiene“ zu lernen. Sein Lehr- und  Forschungsprogramm stieß weltweit auf großes Interesse und ließ München zu einem globalen Zentrum der Hygiene aufsteigen. Hygiene der Marke Pettenkofer wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem bayerischen Exportartikel in die ganze Welt.

Aus Mittel-, Süd-, Ost- und Nordeuropa, aus England und Schottland, Nordund Südamerika, aus Russland und insbesondere aus dem fernen Japan strömten junge Ärzte und Forscher zu Max von Pettenkofer, um von ihm Hygiene zu lernen. Mit seiner motivierenden Persönlichkeit zog Pettenkofer die jungen Leute in seinen Bann. Diese nahmen Pettenkofers Wissen mit in ihre Heimat und sorgten für einen weltweiten Wissenstransfer über die Ländergrenzen hinweg. Einen besonderen geographischen Schwerpunkt in dieser Hinsicht bildeten eindeutig Russland und Japan. In Moskau erhielt der aus der Schweiz stammende, jedoch mit einer russischen Ärztin verheiratete und von Pettenkofer beeinflusste Friedrich Huldreich Erismann (1842–1915) 1884 an der Universität in Moskau den Lehrstuhl für Hygiene und ein eigenes dazu gehörendes Institut. Als Erismanns Nachfolger übernahm 1896 mit Sergej Bubnow (1851–1909) erneut ein von Pettenkofer geschulter Arzt den Lehrstuhl für Hygiene in Moskau. Bubnow, der 1897 den großen Internationalen Hygienekongress in Moskau präsidierte, hatte sich zu Beginn der 1870er Jahre bei Pettenkofer mit Kanalisationsfragen, mit Wohnungs-, Kleidungs- und Nahrungsmittelhygiene befasst. Zu den jungen Forschern, die ebenfalls schon früh aus dem russischen Sprachraum zu Pettenkofer pilgerten, gehörten auch Aleksej Dobroslawin (1842–1889), Viktor Subbotin (1844–1898), Arkadij Jakobij (1837–1907) und Alexander Sudakow. Dobroslawin, der 1882 ein Lehrbuch über öffentliches Gesundheitswesen verfasste, erhielt in der Folge einen Lehrstuhl für Hygiene an der Militärakademie in St. Petersburg, Subbotin wurde Ordinarius in Kiew, Jakobij war schon ab den 1870er Jahren in Charkow für das Lehrfach Hygiene zuständig, bevor er 1885 als Professor für Hygiene nach Kasan ging. Sudakow lehrte ab 1887 Hygiene in Tomsk, wo er 1890 ordentlicher Professor wurde.

Neben dem russischen Zarenreich schickte Japan eine Reihe von Ärzten zu Pettenkofer. Es war die Zeit der Meiji-Reform, in der sich Japan dem Westen öffnete und das jeweils Beste und Fortschrittlichste aus Europa übernahm. Dazu gehörte die moderne deutsche Medizin und vor allem die Hygiene. Zahlreiche junge Ärzte besuchten dabei nicht nur Pettenkofer, sondern belegten auch Kurse bei Robert Koch in Berlin. Zu den bekannten Gastärzten aus Japan gehörte der Pestforscher Masanori Ogata (1854–1919), der 1885 wieder nach Tokio zurückkehrte und dort die neue Lehreinrichtung an der Universität nebst dem Gesundheitsamt übertragen erhielt. Für eine Verbreitung von Pettenkofers Gedankengut in Japan sorgten vor allem der höchstrangige Militärarzt Rintaro Mori (1862 –1922), besser bekannt als Mori Ogai, oder auch Jiro Tsuboi (1862–1903), der 1899 der erste Dekan der Medizinischen Schule an der Kyoto Imperial University wurde; und schließlich Shimpei Gotoh (1857–1929), der es neben seinen Verdiensten im Staatsdienst als Vermittler moderner Hygiene sogar bis zum Innen- und Außenminister des japanischen Kaiserreiches und zum Bürgermeister von Tokio brachte.

Auch in anderen Ländern und vor allem im deutschsprachigen Raum machten Pettenkofer-Schüler im Staatsdienst Karriere oder wurden Hochschullehrer und bekleideten Lehrstühle für Hygiene. Neben den bereits genannten ausländischen Vertretern sind in diesem Zusammenhang ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu nennen Gustav Wolffhügel (1845–1899), der 1877 Ordinarius in Göttingen wurde, Karl Bernhard Lehmann (1858–1940), der 1887 zunächst noch als Extraordinarius nach Würzburg ging und 1894 mit der Gründung des Hygiene-Instituts ordentlicher Professor wurde. Josef Forster (1844–1910) übernahm als ordentlicher Professor 1878 in Amsterdam auch die Leitung des neuen Hygieneinstituts, bevor er 1896 auf den Lehrstuhl der reformorientierten Universität in Strassburg wechselte. Carl Flügge (1847–1923) wurde 1887 der erste Ordinarius für Hygiene in Breslau und 1909 Direktor des Hygienischen Institutes in Berlin. Friedrich Renk (1850–1928), der eine wichtige Rolle im Reichsgesundheitsamt spielte, berief die Universität Halle 1889 auf den neuen Lehrstuhl für Hygiene, Josef von Fodor (1843–1901) wurde Ordinarius in Budapest und Aladòr von Rozshegyi (Rospahegg) in dem damals ebenfalls zum österreich-ungarischen Habsburgerreich gehörenden Klausenburg.

Vorbild und Vermächtnis

Wie sich zeigt, diente Pettenkofers Hygiene-Institut im In- und Ausland als Vorbild. Man orientierte sich an Pettenkofer bei der Errichtung von hygienischen Lehrstühlen, und Pettenkofers Einrichtung diente als Muster für zahlreiche Hygiene-Institute. Von dem Münchner Institut ging auch der Impuls aus zur Gründung (1917) der heute weltberühmten Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health in Baltimore. Mit seinem modernen methodischen Hygienebewusstsein regte Pettenkofer viele Ärzte an, seinem Beispiel zu folgen und durch eigene epidemiologische und ätiologische Studien die Basis für eine fundierte Hygiene und eine wohlbegründete Prophylaxe zu schaffen.

Nachdem sich Pettenkofer Ende 1893 von seinen Lehraufgaben an der Universität entpflichten liess, legte er 1894 auch die Leitung des Instituts für Hygiene nieder. Unmittelbare Nachfolger auf dem Lehrstuhl und als Direktoren des Hygiene-Instituts wurden seine beiden Schüler Hans Buchner (1850–1902) und nach dessen frühem Tod der Wiener Ordinarius Max von Gruber (1853–1927). Auch unter ihnen behielt das Münchner Institut seine weltweite Anziehungskraft. Das Forschen und Arbeiten mit Bakterien rückte nun allerdings auch in München immer mehr in den Vordergrund.

Was bei aller Wissenschaftlichkeit nicht vergessen werden darf, ist die tief im Humanismus und in der Menschenliebe verankerte Haltung Max von Pettenkofers. Er stand in der Tradition der Aufklärung, deren Grundsätze er konsequent verteidigte: Vernunft und Wissenschaft, Fortschritt und Humanismus. Dies sind die Grundwerte seines beeindruckenden Lebenswerks und sein Vermächtnis.


Text: Prof. Dr. Wolfgang Locher, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin der LMU München